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Wolfsburg
12:43 08.06.2016

Auch für kleine und mittlere Unternehmen ist eine Präsenz im Internet heute unerlässlich, wie Prof. Dr. Ewald Wessling mit seinem Vortrag auf dem Gifhorner Wirtschaftsabend eindringlich begründete. Unternehmerischer Mut und gesunder Menschenverstand seien dabei wesentliche Eckpunkte, wie er im Gespräch darlegt:

Professor Wessling, in einer aktuellen Meldung in der Tagespresse war kürzlich zu lesen, dass sich die Zahl der selbssttändigen Modehändler seit der Jahrtausendwende fast halbiert hat. Stattdessen boomt der Onlinehandel. Ist auch das ein Beleg für Ihre These, dass ohne Präsenz im Internet heute nichts mehr geht?

Wessling: Das kann man so sagen, das gilt aber mehr oder weniger für den gesamten stationären Handel. Denken Sie an die kleine Buchhandlung, wie wir sie kennen. Die hat ja durchaus etwas zu bieten, beispielsweise durch ihr speziell ausgerichtetes Sortiment, durch fachlich kompetente Beratung usw.. Nur heute steht sie jetzt im Wettbewerb mit großen Onlineplattformen – und die sind sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag geöffnet und bieten ein wesentlich breiteres Spektrum. Ganz im Gegensatz zum Laden vor Ort. Das ist ein Vorteil, den gerade junge Menschen – und nicht nur sie – schätzen und der für ihre Entscheidung ausschlaggebend ist.

Das Internet ist also heute ein wichtiger Baustein für den wirtschaftlichen Erfolg. Wir haben aber in bestimmten Gegenden in Deutschland, meistens in ländlich geprägten Regionen, kein schnelles Internet. Steuern wir da auf ein Zwei-Klassen-Internet zu?

Wessling: Wenn das so bleibt, dann kann man das so sehen. Allerdings wird ja am Ausbau gearbeitet. Entscheidend ist die Frage, welche Möglichkeiten verschlossen bleiben, wenn kein schnelles Internet verfügbar ist. Das braucht man beispielsweise für Videodienste oder Online-spiele. Um aber informiert und am Leben dran zu bleiben, ist das nicht zwingend erforderlich. Wenn allerdings Regionen auf Dauer mit einer schlechteren Internetversorgung leben müssen, bringt das Nachteile für die Bevölkerung und insbesondere auch für Unternehmen, die auf schnellen Datentransfer angewiesen sind.


Kommen wir noch einmal zurück auf die Bedeutung der Internetpräsenz für Unternehmen: Was unterscheidet eine gute von einer schlechten Internetseite?


Wessling: Die Antwort darauf ist kurz und einfach, die Umsetzung ist um so komplexer: Eine gute Webseite orientiert sich ausschließlich an den Bedürfnissen ihrer Kunden. Jeder, der die Webseite eines Unternehmens besucht, gezielt oder über eine Suchmaschine, erwartet dort die Lösung seines Problems oder die Antwort auf seine Frage. Bekommt er die nicht, ist er weg und versucht es woanders. Darauf müssen sich Unternehmen und Organisationen, die eine Webseite betreiben, einstellen. Sie müssen sich zunächst überlegen: Wer sind meine Kunden und welche Bedürfnisse haben sie. Viele Unternehmen können sehr genau ihre Zielgruppen beschreiben, aber man muss heute wissen, welche Bedürfnisse die Kunden haben. Das fällt vielen Firmen schwer, das haben sie nicht „gelernt“ und das ist auch nicht einfach. Sie wissen zwar, wer ihre Kunden sind, aber sie konzentrieren sich in ihrer Kommunikation noch zu sehr auf ihre Produkte. Das können sie sehr gut – aber die Bedürfnisse der Menschen, die zu ihnen kommen, werden dabei vernachlässigt. Und diese Bedürfnisse können bei den Kunden sehr unterschiedlich sein. Deshalb wird eine „gute“ Internetseite immer darauf ausgerichtet sein, die Bedürfnisse der Nutzer zu erfüllen.

Auf Ihrer eigenen Homepage habe ich das Statement gefunden „Wir sollten von den Jungen lernen.“ Was genau meinen Sie damit? Sollen wir alle ständig online sein oder geht es eher um die Ungezwungenheit der jungen Leute im Umgang mit dem Internet & Co.?

Wessling:
Das zweite ist gemeint. Bei Vorträgen vor Unternehmen, die sich mit dem Thema Internet befassen wollen oder müssen, gebe ich immer folgenden Rat: „Bildet keine Arbeitsgruppen nach Hierarchien – also Geschäftsführer, Abteilungsleiter usw. Holt euch die Leute aus eurem Unternehmen, die etwas davon verstehen. Holt euch die jungen Leute, die sich auskennen und die euch erklären können, wie Internet, Computerspiele und Social Media funktionieren.“ Um das noch einmal zu verdeutlichen kann ich ein ganz aktuelles Beispiel nennen. Teenager verzichten heute lieber auf facebook als auf snapchat, was schon viele Twens nicht nachvollziehen können. Auf der Re:publica in Berlin, der in Deutschland größten Zusammenkunft der Internetgemeinde, werden 14-jährige angerufen, damit sie den dort versammelten Internetfachleuten die Faszination von snapchat erklären – soviel zum Thema „Lernen von den Jungen“.

Wenn ich Sie richtig verstehe, reicht also eine Webseite heute nicht mehr aus, Unternehmen sollten auf vielen Kanälen im Netz präsent sein?

Wessling: Das ist einfach so, wer Social Media nicht nutzt, ist – zumindest für eine große Zahl von Nutzern - nicht präsent. Unternehmen brauchen eine Strategie und die sollte sich an den Bedürfnissen und am Medienverhalten der Kunden orientieren, die man ansprechen will. Dann kann man relativ gut erkennen, welche Kanäle man nutzen muss, um diese Zielgruppen zu erreichen. Es gibt Zielgruppen die erreicht man über facebook, andere erreicht man über Xing, wieder andere eher über Instagram; zum Beispiel bei Produkten, die stark visuell geprägt sind und die man gut mit Fotos präsentieren kann. Es gibt Angebote, die sind überhaupt nicht Video-tauglich – dann braucht man auch keinen YouTube-Kanal. Hat man aber ein erklärungsbedürftiges Produkt, dann können Videos sehr hilfreich sein, um den Leuten zu zeigen, was sie da eigentlich kaufen. Oder man nutzt Videos, um einfache Aufbau- oder Einbauhilfen als Service anzubieten. Das sind alles Dinge, die man berücksichtigen sollte, wenn man über eine für das eigene Unternehmen geeignete Präsenz im Netz nachdenkt.

Das hört sich so an, als ob man dafür eigentlich nur ein wenig gesunden Menschenverstand braucht.

Wessling: Das ist so und das betone ich auch immer wieder: Das, was ein mittelständisches Unternehmen grundsätzlich im Internet machen muss, also eine Webseite und Social Media-Präsenz, ist kein Hexenwerk und keine Raketenwissenschaft. Damit kann man sich beschäftigen, man kann im eigenen Haus Leute suchen, die sich damit auskennen und man kann Fachleute dazu holen. Es gibt speziellere Felder, wie Big Data-Analysen im Customer-Relation-Management, die sehr tief gehendes Wissen und sehr spezielle Kenntnisse erfordern. Dafür braucht man Experten. Vieles aber lässt sich größtenteils mit Bordmitteln erreichen. Man muss es einfach angehen.

Auf der Re:publica waren auch kritische Stimmen zu hören, die vor der Macht der Netzwerke warnen und die in dieser Hinsicht ein eher düsteres Bild der digitalen Medienwelt zeichnen. Was entgegnen Sie diesen Kritikern?

Wessling: Die Kritik und die Besorgnis kann ich nachvollziehen. Die NSA-Affäre macht deutlich, welche Gefahren entstehen, wenn Regierungen unsere Daten widerrechtlich gebrauchen. Und genauso müssen wir kritischer begleiten, wie die regelmäßig monopolartigen Internetunternehmen, wie Google, Amazon oder Facebook, unsere Daten auch manipulativ gebrauchen. Das gilt aber letztendlich für jeden technologischen Fortschritt, der zu guten oder schlechten Zwecken genutzt werden kann. Ich bin Kultur-Optimist und zuversichtlich, dass wir Mittel und Wege finden werden, das Positive für uns alle überwiegen zu lassen.

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